INGENIEUR DER ABFALLTECHNIK BLICKT ÜBER DEN TELLERRAND

18 Millionen Tonnen, meist noch essbare, Lebensmittel landen jährlich auf deutschen Mülldeponien. Unsere Überfluss- und Wegwerfgesellschaft stellt Planer somit vor besondere Herausforderungen. Massenlebensmittelproduktion mit billigsten Angeboten der seriengefertigten Lebensmittelindustrie, landen in überquellenden Regalen und so auf der Deponie. Besonders dramatisch ist die Entwicklung beim Fleischkonsum. 4.200.000 Schweine, Millionen Hühner aus der Massentierhaltung, fliegen zu 30% aus den überquellenden Regalen und landen mit Plastikverpackungen auf der Deponie.

Massentierhaltung, Lebensmittel im Überfluss, werden massenhaft in Plastik verpackt.

Alles ist auch hier eine Frage der Ethik und der intelligenten Deponieplanung, um nicht noch mehr
Problemfelder der nächsten Generation zu hinterlassen. Umweltschutz, Tierschutz, Ressourcenengpässe beschäftigen ja zunehmend die Gesellschaft, Politik und die Forschung. Regenerative Energien sind natürlich stark gefragt. Mit ihnen ist die Hoffnung auf eine saubere Klimawende verbunden. Wo fängt die ökologische, ethische Verantwortung an, wenn man bei der Lebensmittel Abfallentsorgung über den Tellerrand schaut. Ein wichtiger Beitrag der regenerativen Energien ist dann auch die Biogasgewinnung aus Lebensmittelresten.

 

Hans Roth, Ingenieur und Senior- Geschäftsführer vom Ingenieurbüro Roth & Partner, hat seit Jahren dieses Thema in der Planung. Als gefragter Manager für Abfall- und Verfahrenstechnik sowie Regenerative Energien kennt er sich mit der Biogasgewinnung aus Lebensmittelabfällen bestens aus und erklärt, warum wir aus dem Übel der Lebensmittelvernichtung noch was positives gewonnen werden kann. Energie gewinnen. Biogas produzieren.

 

Abfall schließt den Energiekreislauf, löst aber nicht das gesamte Problem.

Jeder Haushalt, jedes Unternehmen und vor allem der Lebensmittelhandel sowie die Gastronomie verursachen jede Menge Bioabfälle. Das sind organische Produkte, also Lebensmittel, die jetzt in riesigen Anlagen zunächst vom überflüssigem Plastik getrennt werden müssen. Roth hat in der eigenen Entwicklung Anlagen gebaut die ökologisch wertvoll, dann aus den Lebensmitteln durch die Prozesstechnik Biogasgewinnung produzieren. Plastikverpackungen werden dem Recyclingprozess als Wertstoff zugeführt, Biogas als regenerative Energie gewonnen, und die vergorenen Lebensmittelabfälle wieder als Dünger auf die Felder gebracht.

# 18 MIO. T. LEBENSMITTEL LANDEN IN DEUTSCHLAND JÄHRLICH IN ANLAGEN ZUR ÖKOLOGISCHEN VERWERTUNG

BIOGASGEWINNUNG AUF DER DEPONIE IST EIN SENSIBLES THEMA. MIKROPLASTIKTEILE.

Große Recyclingunternehmen wie Remondis und sein Tochterunternehmen ReFood sammeln den Abfall aus den privaten Haushalten, aus Großküchen oder Supermärkten ein und bringen ihn auf riesige Deponien, wo sie zu Biogas vergoren werden sollen. Das ist ein komplexer Prozess, denn die Vergärung von Abfall stellt einige Herausforderungen an die Anlagen: Abfall besteht aus einer immensen Palette unterschiedlichster Stoffe.

Um Biogas zu gewinnen, sind zahlreiche Schritte notwendig, die sehr strukturiert ablaufen müssen, damit der Prozess funktioniert. Da der Mix jedoch immer anders ist, muss der Prozess immer wieder auf die einzelnen Schritte angeglichen werden.

 

Ökologisch betrachtet ist Biogas aus Abfall eine gut Sache, da aus Lebensmittel wenigstens noch Energie gewonnen wird und Kompost als Nebenprodukt entsteht. Aber! Nach dem Fermentationsprozess, in dem das Gas entsteht, bleiben Flüssigfasern und Feststoffe übrig, die aufbereitet und hygienisiert, auch auf dem Acker landen und so die Böden und die Lebensmittel belasten.

 

Massenhaft Plastik

Blicken wir noch mal auf die dramatische Fehlentwicklung unserer Überflußgesellschaft zurück: Zu viele, auch noch essbare Lebensmittel werden weggeschmissen, weil sie im Überfluss viel zu billig vorhanden sind. Im Handel werden ganze Paletten entsorgt, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen. Eine Sortierung nach verdorbenen und noch guten Lebensmitteln wäre zu aufwendig, deswegen landen sie zusammen mit allem, was Privatpersonen und Gastronomie wegwerfen als Abfall in der Biogasanlage. Viele dieser Produkte sind auch noch in Plastik verpackt. Es wird zwar so gut es geht versucht, dieses in der Anlage herauszutrennen, jedoch ist das nicht gänzlich möglich.

 

Das noch enthaltene Plastik wird also klein geschreddert und gelangt so in die Biogasanlage. Die Prozesse dort reichen jedoch nicht aus, um es zu zersetzen. Selbst abbaubare Biosäcke können bei den geringen Gärtemperaturen nicht aufgespalten werden. Der Gärrest, der am Ende übrig bleibt, ist zwar ein sehr nährstoffhaltiger Dünger, jedoch sind darin winzige Plastikpartikel enthalten, die als Mikroplastik in die Natur und auf die Felder gelangen.

 

Es gibt viel zu forschen

Zahlreiche Forscher wie beispielsweise an der Universität Hohenheim sind an der Entwicklung neuer Technologien und Verfahren beteiligt, um dieses Problem zu lösen. So gibt es Ansätze, mit Hilfe von Pflanzenkohle die thermischen Prozesse hochzufahren. Durch die Zugabe dieser Kohle, die aus Grünschnittabfall hergestellt wird, werden die Speisereste besser aufgeschlossen. Außerdem wirkt diese zugleich Geruchsneutralisierend. Durch die höheren Temperaturen beim Vergären wird schließlich auch das Plastik aufgeschlossen.

 

Dies ist aktuell noch reine Zukunftsmusik, zeigt jedoch, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Thematik ist. Solange wir Lebensmittel im Überfluss wegwerfen, ist die Gewinnung aus Biogas daraus eine sehr gute Maßnahme. Aber erst durch die intensive Beschäftigung mit Biogas, werden Möglichkeiten geboren, um solche Entwicklungen voranzutreiben.